Warum muss man eigentlich immer einen Kurs buchen und kann
manches nicht einfach mal selber ausprobieren? Ein Blick auf unsere Bankkonten
zeigt, dass finanziell kein Kurs möglich ist. Aber das Geld reicht, um sich das
passende Rüstzeug für eine Skitour zu leihen. Doch was ist eine gute Route für
die ersten eigenen Versuche auf Splitboard und Tourenski? Es herrscht auch dank
der frühlingshaften Temperaturen mal wieder Lawinengefahrstufe 3. Also bleibt
uns nur ein Aufstieg entlang von Skipisten. Dank dem Alpenverein gibt es eine
Aufstiegsroute für Tourenskigeher zum Kreuzeckhaus vom Skilift Garmisch-Partenkirchen
Hausberg aus (https://www.alpenvereinaktiv.com/de/tour/pistentour-im-skigebiet-garmisch-classic/16030015/).
Diese Tour ist leicht und profitiert zum Teil auch vom Kunstschnee. Für uns
scheint diese Tour ideal als Einstieg. Am Abend vor der Tour schaue ich mir
YouTube Videos zur Gehtechnik (https://www.youtube.com/watch?v=BMFqicEIPnY) und
den Umbau des Boards an. Ich bin begeistert. Das sieht alles überhaupt nicht
schwer aus und wird sicherlich überhaupt kein Problem.
Am Samstag geht unser Zug um kurz nach sieben nach
Garmisch-Partenkirchen Hausberg. Wir rechnen damit, dass wir für den Aufstieg
zum Kreuzeckhaus länger als die angedachten zwei Stunden brauchen, deshalb
wollen wir so früh wie möglich los. Wir leihen uns Splitboards und die
Tourenski vor Ort. Der Service ist schrecklich. Online war eine Reservierung
vom Splitboard am Vorabend nicht möglich. Am Telefon erhielt Jacqueline die
Auskunft, dass wir auch nicht reservieren brauchen, denn es ist noch eine Menge
da. Scheinbar sollte man sich den Begriff eine Menge genauer verifizieren
lassen, denn die Menge entpuppte sich genau als zwei Boards. Und das ist der
gesamte Bestand des Skiverleihs direkt am Lift. Nach langem Anstehen bei der
Reservierung geht es in Richtung Verleih. Dort kommt die nächste Überraschung.
Beide Boards sind auf Regular eingestellt und ein Umbau nicht möglich. Wie,
frage ich. Wieso nicht möglich? Die Ausrüstung kostet wohl gemerkt 35 € am Tag
und dafür ist keine Umstellung auf Goofy-Stand möglich? Ich will es nicht ganz
einsehen. Nach einem kurzen Streit drückt mir der Typ am Verleih das Board in
die Hand und schickt mich in Richtung Werkstatt. Nach fünf Minuten und keiner
Diskussion kann es endlich losgehen. Ich schlucke meinen Ärger runter, denn nun
ist meine Geduld gefragt. Das Board muss geteilt, die Bindung entsprechend
umgesteckt und nicht zu vergessen, die Felle aufgezogen werden. Nach 15 Minuten
ist alles fertig, auch ich. Dass das so lange dauert, hätte ich nicht gedacht.
Es braucht eindeutig eine gewisse Übung das Board umzubauen. Skitourengeher
haben es leichter. Felle aufgezogen und fertig.
Julia beim Aufstieg |
Es geht an den Aufstieg. Gar nicht so leicht. Das sind
Bewegungsabläufe die ich noch nie gemacht habe. Die Muskulatur im Hintern gibt
mir Recht. Nein, so haben wir uns eindeutig noch nicht fortbewegt. Ich versuche
über den Schnee zu gleiten. Wirklich schnell sind wir nicht, aber es geht
voran. Der Schnee ist meistens nur noch Eis. Bogentreten-Übungen fallen auf der
schmalen und größtenteils vereisten Route aus. An einem steileren Stück möchte
ich jedoch unbedingt die Spitzkehre üben. Der Hang hat eine Neigung über 30°,
also sollte das passen. Ich stelle die Bretter quer und setzte mit dem Bergski
zur Spitzkehre an und plötzlich geht’s für mich auf dem Bauch und mit den Füßen
voran bergab. Denn auf dem Eis halten beim Querstehen die Felle nicht. Dafür
braucht man Schnee. Schnell gewinne ich an Rutschgeschwindigkeit. Anhalten
klappt auch nicht. Mit einem lauten „Aaahhhhh…“ geht das Rutschvergnügen für
mich weiter. Glücklicherweise hat der Hang bald ein Ende. Unten angekommen weiß
ich auch nicht so recht, wie ich aufstehen soll. Die Bretter und meine Beine
sind irgendwie miteinander verknotet. Es dauert ein paar Minuten bis ich mich sortiert
habe und mich endlich erheben kann. Nun muss ich alles wieder hoch. Klappt
diesmal aber ohne unfreiwillige Talfahrt. Wir steigen weiter auf. Irgendwann
frage ich laut, warum ich eigentlich die einzige bin, die schliddert. Just in
dem Moment rutscht Marc auf dem Bauch an uns vorbei. Ich ernte von Jacqueline
einen bösen Blick und ein „Sowas sagt man nicht laut!“. Scheinbar ist mein
Einfluss auf das Universum größer als gedacht. Ich denke vor der nächsten
Ziehung für das Mega-Los werde ich mal laut sagen: „Julia gewinnt die
Sofortrente!“.
Leider trägt Marc aufgrund der für März viel zu warmen
Temperaturen ein T-Shirt (Merke, auch wenn es warm ist, lieber langärmlig
gehen, denn: Rutschgeschwindigkeit + Haut direkt auf Eis = unschöne Schürfwunden.).
Bis auf einem aufgeschürften Unterarm fehlt ihm zum Glück nichts. Er kommt
sogar ziemlich gekonnt auf dem Hang zum Stehen, steht auf und gleitet auf den
Skiern seines Splitboards wieder hoch. Die restliche Tour zum Kreuzeckhaus
verläuft weites gehend ohne Zwischenfälle. Einmal haut‘s auch uns
Tourenskigeherin hin, aber es muss schließlich auch gerecht zu gehen. Beschämend
ist ein wenig unsere Zeit. Vier Stunden brauchen wir bis zum Kreuzeckhaus.
Egal, der Kaiserschmarrn ruft. Doch bevor es in die gute Stube geht, baue ich
das Board schon einmal für die Abfahrt um. Man könnte meinen, dass Felle abziehen,
Board zusammensetzen und die Bindung umstecken in fünf Minuten erledigt sein
muss. Ist es aber nicht. 10 Minuten brauche ich. Geschafft. Nun aber endlich
zum Kaiserschmarrn und Hefeweizen, bevor wir uns ins Abfahrtvergnügen werfen.
Ankunft an der Kreuzalm |
Marc ist abfahrtsbereit |
Trotz übervoller Pisten, ist die Abfahrt ein reines
Vergnügen. Unsere Splitboards zeigen sich unglaublich drehfreudig und gleiten
schnell durch den Schnee. Tiefschneefahren muss mit diesen Boards ein Traum
sein. Vielleicht schaffen wir es in der nächsten Saison endlich mal in den
Tiefschnee. Auch Jacqueline, die an diesem Tag zum ersten Mal auf Tourenskiern
steht, hat eine Menge Spaß am Abfahren.
Trotz einiger Stürze, unfreiwilliger Abfahrten auf dem Bauch
und saumäßigem Muskelkater haben wir ein neues Hobby gefunden. Wir hatten an
diesem Tag sogar so viel Spaß, dass wir uns am nächsten Wochenende gleich
wieder auf Tour begeben.
Diesmal leihen wir uns die Ausrüstung beim DAV. Die Splitboards
kosten für A-Mitglieder dort nur 18 € am Tag, Tourenski 25 €. Schablone und
Schraubendreher für einen Stand-Wechsel sind mit dabei. Ebenso Harscheisen. So
muss das! Ich passe mir Zuhause das Board an. Da wir diesmal ein Auto zur
Verfügung haben, teile ich das Board bereits und mache alles soweit fertig für
den Aufstieg. Da wir erneut am Skilift Garmisch-Hausberg starten werden und ich
mich an die Eisflächen gut erinnere, beschließe ich auch gleich mal die
Harscheisen an zubringen.
Am Samstag kommen wir ziemlich spät los. Das ist typisch für
uns, wenn wir ein Auto haben. Sofort bricht die Bummelritis aus. Bestraft
werden wir mit einer langen Parkplatzsuche. Denn alle Parkplätze am Skilift
sind belegt. Wir finden einen 500 m weit weg in einer Seitenstraße. Fast zehn
Uhr. Jacqueline muss ihre Tourenski und Marc sein Splitboard für den Aufstieg
noch fertig machen. Dann kann es endlich losgehen. Ich setze an für den ersten
Schritt und ich komme nicht vom Fleck. Blöde Harscheisen denke ich und montiere
sie wieder ab. Setze erneut an zum Schritt und bleibe erneut regelrecht kleben.
Schlagartig ist mir klar, wo das Problem liegt: Ich habe die Felle falschherum
aufgezogen. Peinlich. Aber zumindest weiß ich, dass auf diese Felle verlass
sein wird und sie mich am Hang halten werden. Marc hilft mir, die Felle
entsprechend umzumontieren und endlich können wir los. Halb elf. Neuer Bummelrekord.
Der Aufstieg ist derselbe wie letzte Woche. Leider sind manche Flächen schon
schneefrei. Diesmal geht der Aufstieg besser als das letzte Mal. Wir sind
schneller und diesmal bleiben auch Rutschpartien aus. Unser Ziel die Hochalm
erreichen wir dennoch nicht. Wir kehren zur Pause auf der Kreuzalm ein und
danach kann sich niemand von uns mehr für einen weiteren Aufstieg aufraffen. Nach
einer langen Pause fahren wir ein wenig wehmütig ab. Denn dies wird unsere
letzte Abfahrt bis zur nächsten Saison sein. Gerne wären wir die nächsten
Wochenenden wieder auf Skitour gegangen. Doch der Klimaerwärmung sei Dank, ist
bereits Ende Februar in Bayern Frühling.
Wir hatten an diesen beiden Wochenenden viel Spaß. Zwar ist
unsere Technik noch nicht perfekt, aber daran werden wir in der nächsten
Tourenskisaison intensiv arbeiten. Denn eines ist sicher, uns wird man nur noch
sehr selten an überfüllten Liften treffen. Auch habe ich immer gesagt, dass ich
nie Skifahren lernen werde. Vorsicht, im nächsten Winter auf den Übungspisten.
Denn die kleinen Abfahrten mit den Skiern des Splitboards haben mir viel Spaß
gemacht, so dass ich sicherlich eine von vielen Skianfängern sein werde.
Übrigens habe ich bis heute keine Sofortrente gewonnen…
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